Eine Durststrecke von mäßigen Thrillern wird bald zu Ende gehen. Mit „The Order“ steht ein Krimi-Thriller an, der vieles von dem, was lange Zeit vermisst wurde, zurückbringen kann.
Im letzten Jahr gab uns der Release von David Finchers „The Killer“ noch Hoffnung auf eine Rückkehr der guten Thriller. Kaum ein Jahr später gibt es bereits einen neuen Actionfilm mit dem selben Titel. Eine Genre-Rettung sieht anders aus.
Viele große Genrevertreter stehen auch weiterhin nicht an, auf den Filmfestspielen von Venedig feierte nun aber Justin Kurzels Film „The Order“ seine Premiere, der nicht nur deutlich packender als die letzten Werke ist, sondern darüber hinaus auch einen weitaus interessanteren Plot mitbringt.
Der FBI-Agent Terry Husk (Jude Law) will seiner mangelnden Gesundheit wegen ein paar Gänge zurückschalten. Dafür lässt er sich in das vermeintlich verschlafene US-Städtchen Coeur d’Alene in Idaho versetzen. Schnell fallen ihm dort die weit verbreiteten Flyer mit der Aufschrift White Power auf. Wie er herausfindet, hat sich eine Gruppierung der rechtsradikalen Aryan Nation rund um den Prediger Richard Butler (Victor Slezak) in der Gegend niedergelassen. Die örtliche Polizei scheint das Problem kaum zu kümmern, doch durch die Hilfe des Deputy Jamie Bowen (Tye Sheridan) startet Husk eine Ermittlung, welche die Gruppe mit Anschlägen auf Pornokinos und Banküberfallen in Verbindung bringt.
Husk geht aus seiner langjährigen Erfahrung erst von keinem Zusammenhang aus, doch die Hinweise verdeutlichen, dass der wortgewandte Bob Mathews (Nicholas Hoult) sich und viele der Angehörigen radikalisiert. Statt die Rassenideologie wie geplant über Jahre politisch umzusetzen, will Mathews schnelle Ergebnisse erzielen – bevorzugt mit Waffengewalt. Was jedoch die eigentlichen Motive für seine aggressive Machtübernahme sind, bleibt in dem Film unergründet.
Die Geschichte von „The Order“ basiert zumindest lose auf realen Ereignissen und Figuren, wie im Abspann des Films später durch die klassisch einfallslosen Texttafeln verdeutlicht wird. Interessant ist die Auswahl jener Geschichte aber auf jeden Fall. Vieles von dem, was die politisch Radikalen vollziehen, basiert auf dem ebenfalls existierenden Roman „The Turner Diaries“. Ähnlich tickende Faschisten wie der Nationalsozialistische Untergrund oder der Massenmörder Anders Breivik nahmen das Buch als Inspiration für ihre Abscheulichkeiten.
Bei den Charakteren bleibt Kurzel den Genreklassikern treu. Jude Law spielt einen fast schon von Stereotypen überladenen FBI-Agenten. Er gehört schon zum alten Eisen, lebt nur für seinen Beruf, weiß Gut und Böse zu unterscheiden, nutzt aber doch gerne ihre Methoden und ganz wichtig: seine Familie ist zerrüttet und er arbeitet allein. Nicholas Hoults Figur hingegen ist da etwas vielschichtiger geschrieben. Er schafft es durch überzeugendes Charisma seine Mitstreiter zu überzeugen, es ist bei seinem Schauspiel aber auch immer klar, dass sich hinter seiner Fassade noch mehr verbergen muss, was sich durch seine Führungsrolle nur erahnen lässt.
Durch den politisch immer wider aktuellen Bezug und die zunehmende Entgleisung entsteht eine dauerhafte Spannung. Die verstärkt man gekonnt in den nicht überladenen Actionszenen. Es gibt keine unnötigen Verfolgungsjagden, sondern pointierte Spitzen. Die sind dafür äußerst intensiv und erinnern beim wummernden Sound der Autos und Waffen sehr an Michael Manns Klassiker „Heat“. Gut kontrastiert wird der Actionteil durch weitläufige Naturaufnahmen und die verbundene Stille. Dadurch wird sehr gut das Bild vermittelt, wie eine eigentlich so friedliche und ruhige Umgebung durch die wahnhaften Realitätsvorstellungen der Gruppe namens „The Order“ aufgefressen wird.
„The Order“ ist ein Thriller nach dem Handbuch großer Klassiker. Starke Action trifft auf eine bewegende Geschichte. Das Setting der frühen 80er-Jahre erinnert an bekannte Werke, man kann aber gerade durch die gelungenen schauspielerischen Leistungen und die Kontrastsetzung eigene Akzente setzen. Endlich wieder ein Thriller, wie er sein sollte.
„The Order” wurde im Rahmen der 81. Filmfestspiele von Venedig gesichtet. Der deutsche Kinostart Termin steht noch aus.