„Longlegs“ hat vermutlich die beste vorab Promotion des aktuellen Kinojahres. Dahinter steckt allerdings ein Film, der sich in keinem Genre wirklich einfinden will und wenig ergründet.
Noch weit bevor man etwas über die Handlung von „Longlegs“ erfahren hat, begann die damals noch versteckte Promo im Internet. Es tauchten Bilder, mysteriöse Botschaften und ganze Webseiten auf. Definitiv ein PR-Stunt, der im Gedächtnis bleibt. Später gab es dann auch die ersten Clips aus dem Film zu sehen, viel erklärt haben die damals nicht. Ein Muster, das sich bis heute durchzieht. Den Antagonisten hält man beispielsweise immer noch versteckt. Alles in allem sehr erfrischend, während andere Filme im Trailer schon eine Inhaltszusammenfassung darbieten.
Die Geschichte erzählt von der aufstrebenden FBI-Agentin Lee Harker (Maika Monroe). Als sie auf ihrem ersten Außeneinsatz nur durch eine Ahnung direkt den Täter findet, wird Agent Carter (Blair Underwood) auf sie aufmerksam. Er verfolgt einen Fall, der seit 30 Jahren ungelöst ist. Mehrere Väter hatten über die Jahrzehnte erst die restliche Familie und anschließend sich selbst getötet. Nicht nur der Tathergang, auch kryptische Briefe verbinden die Ereignisse.
Harker macht sich schnell mit dem Fall vertraut und schafft das bisher Unmögliche: Sie entschlüsselt den Algorithmus, den der Killer zum Verschleiern seiner Botschaften verwendet hat. Nicht nur die neuen Erkenntnisse lassen den Fall aufleben, der mysteriöse Mörder namens Longlegs sucht auch Harkers unmittelbare Nähe und Aufmerksamkeit.
Was auf eine Mischung aus Thriller, wie wir ihn seit David Finchers „Sieben“ vermissen und einer guten Portion Horror hoffen lässt, entpuppt sich recht schnell als ein sehr ernüchternder Genre-Spagat. Der Aspekt des Krimi-Thrillers beschränkt sich nahezu alleinig auf die Präsenz von FBI-Agenten. Deren Arbeit lernen wir aber nie wirklich kennen. Das liegt vor allem daran, dass der Horroranteil zum Tatwerkzeug wird. Wenn also Übernatürliches eingeführt wird, dann nicht um uns zu gruseln, sondern um sich die Mühe einer aufwendigeren Erzählung zu sparen. Dass Harker hellsehen kann, hebt man einerseits als sonderbar hervor, andererseits scheint es in dieser Welt auch gewöhnlich genug zu sein, als das man beim FBI bereits Tests zum Erkennen und Fördern solcher Talente hat.
Auch mitfiebern kann man mit den Charakteren nur sehr begrenzt. Die Nebenfiguren bleiben zweckmäßig und die von Maika Monroe gespielte Protagonistin lernen wir nie wirklich kennen. Das dient zwar dem Mysterium beim erstmaligen Schauen, führt aber auch dazu, dass man nach dem Entwirren des Falls keine richtigen Schauwerte mehr hat.
Der versteckte Antagonist Longlegs hingegen funktioniert sehr gut, hat aber ein Problem: Viel zu wenig Screentime. Vielleicht hat man ihn gar nicht nur wegen des Mysteriums aus dem Trailer verbannt, möglicherweise hätte man sonst auch einfach keine weiteren Szenen mit ihm gehabt. Seine wenigen Auftritte sind Nicolas Cage typisch extrem gespielt, was sehr gut zu der psychopathischen Figur passt. Da man ihn aber einer düsteren Instanz unterstellt und somit zum Handlanger macht, entzaubert man seine eigene Stärke.
Wie schon bei der Marketingkampagne erwartet der Film, dass man sich die Handlung aus vielen Versatzstücken zusammen puzzelt. Dafür zeigt und bietet man aber zu wenig, als dass man sowohl als Thriller oder auch als Horrorfilm länger im Gedächtnis bleibt. Denn man ist weder der gruseligste Film des Jahres noch der beste Thriller – und das, obwohl die Konkurrenz so dünn gesät ist.