Colin Farrell spielt im Noir-Thriller “John Sugar” einen überambitionierten Privatdetektiv. Neben einer Hommage ans Kino versucht man sich auch an anderen Tönen, die interessante Ansätze versprechen.
Manchmal, da sehnt man sich nach Helden. Nicht unbedingt die Art von hochstilisierten Kryptonitfeinden im hautengen Kostüm; optional mit Cape. Nein, vielmehr Helden des Alltags. Auch in Anzüge gekleidet, allerdings deutlich lockerer. Personen, die erst mal wirken wie wir, aber doch um einige Ecken idealtypischer sind.
Auch John Sugar ist so eine Person. Als Privatdetektiv ist es sein Job, Personen aufzuspüren und Fälle aufzuklären. Eigentlich etwas für rustikale Typen, die Job und Privatleben strikt trennen. Bei Sugar ist es aber nicht nur der Name, der aus dem Raster fällt. Seine Arbeit und Klienten lässt er nahe an sich ran, macht sich Sorgen und stellt eigene Ziele hinten an.
John Sugar bleibt dran
Wir lernen den von Colin Farrell gespielten Detektiv nach seiner Rückkehr aus Tokyo kennen. Frisch nach Los Angeles zurückgekehrt, hat er den nächsten Fall im Visier. Die Enkelin des berüchtigten Filmproduzenten Jonathan Siegel (James Cromwell) ist verschwunden. Wegen ihrer vorherigen Drogen-Exzesse macht sich außer ihrem Opa keiner Sorgen um ihren Verbleib. Doch Sugar nimmt sich dem Fall an und bleibt hartnäckig.
Sein Interesse an dem Fall rührt dabei sicherlich nicht nur von seiner Gutmütigkeit, sondern auch von seinem großen Interesse am Film. Er liest Magazine wie den American Cinematographer und hat auf seinem Fernseher in jeder freien Minute einen Klassiker laufen. Auch sonst, wenn das grade nicht der Fall ist, werden immer wieder Szenen großer Klassiker eingespielt. Mal passen sie so gut ins Gefüge, dass man das Gefühl bekommt, als würde Sugar selbst seinen Rollenvorbildern nacheifern.
Der Kriminalfall erstreckt sich über die gesamte Staffel und bedient sich den klassischen Motiven einer Detektivgeschichte. Schon daran kann man sich durchaus sattsehen. Die sonnigen Straßen Kaliforniens, Sugars leuchtend blaues Cabrio und sein Frohmut tragen durch die Serie. Es ist ein interessanter Fall, der einen Spalt durch die verschlossenen Türen der Traumfabrik erhaschen lässt. Die Serie erzählt parallel allerdings auch noch eine weitere Geschichte.
Zu Beginn wird diese zweite Handlung gar nicht auffallen. Da wirkt alles noch wie eine klassische Kriminalgeschichte. Im Laufe der acht Episoden wandelt sich dieser Eindruck jedoch. Gewisse Verhaltensweisen, offene Fragen und Formulierungen lassen einen erst einmal im Dunkeln stehen. Erst zum Finale hin offenbart der Krimi, was dahintersteckt. Das ist durchaus eine dramaturgische Entscheidung, die polarisieren und abschrecken kann. Der Twist verwirft die vorherige Handlung aber nicht, sondern fügt sich überraschend gut ein und lässt vorherige Folgen in einem anderen Licht erscheinen. Die Erweiterung des Genres bringt Frische in das alte Filmkonzept und kann über den anfänglichen Schock hinweg einen Mehrwert bringen.
„John Sugar“ ist eine willkommene Abwechslung, ein Bekenntnis zum alten Kino und gleichzeitig ein ansatzweises Dekonstruieren der Machtverhältnisse und Intrigen Hollywoods. Die Serie hat ein Potenzial, auch über mehrere Staffeln hinweg zu tragen. Zum einen, weil es durchaus zu wenig Noir-Thriller mit so starker Besetzung gibt. Zum anderen hat man durch den späteren Plot-Twist einige erzählerische Möglichkeiten geschaffen. Die Handlung kann dadurch relativ freidrehen und trotzdem eine gewisse Bodenständigkeit gegenüber anderen Vertretern behalten. Das sind eben die wahren Helden.
„John Sugar” ist ab sofort bei Apple TV Plus zum Streamen verfügbar. Die erste Folge ist kostenlos abrufbar. Die komplette Staffel umfasst 8 Episoden, die jeweils freitags erscheinen. Hier kann die Serie gestreamt werden.