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Civil War Kritik: Die Macht der “objektiven” Bilder

Alex Garlands „Civil War“ erzählt von einem zerrütteten Land und der Wichtigkeit von Journalisten, insbesondere in Kriegszeiten. Das ist eindrucksvoll, vergisst aber einzelne Aspekte.

In Zeiten des Friedens blendet man Themen wie Krieg wohlwollend aus. Bis er dann doch schmerzlich nahe rückt und man sich und seine Lebensweise bedroht sieht. Diesen Zustand erleben wir nun schon seit einigen Jahren. Weltweit sind Nationen und Demokratien bedroht und fragiler denn je. 

Wie zerbrechlich dieser Normalzustand sein kann, erlebten wir unter anderem am 6. Januar 2021, als Anhänger des abgewählten US-Präsidenten einen Sturm auf das Kapitol vollzogen. Auch in Deutschland gab es ähnliche Pläne für den Bundestag, die frühzeitig abgewendet wurden.

Viel in die Zukunft musste sich Alex Garland mit seinem neuen Film „Civil War“ also gar nicht begeben. Die USA erleben wir in seinem neusten Film im Ausnahmezustand. Ein Bürgerkrieg ist entbrochen, mittendrin ein Präsident, der sich hinter Floskeln und Lügen zu verstecken scheint. Auf der anderen Seite stehen die westlichen Streitkräfte, die das Staatsoberhaupt in Washington D. C. zu Fall bringen wollen.

Die journalistische Perspektive in Civil War

Wir verfolgen diesen Konflikt aber nur am Rande und sehen und hören vom Präsidenten oder den Kriegstruppen nur das Ausmaß. Wir folgen stattdessen der renommierten Fotojournalistin Lee Smith (Kirsten Dunst), ihrem Kollegen Joel (Wagner Moura), dem gealterten New York-Times Journalisten Sammy (Stephen McKinley Henderson) und der jungen aufstrebenden Fotografin Jessie Cullen (Cailee Spaeny). 

Die Gruppe macht sich auf einen über 800 Meilen langen Trip hin ins politische Zentrum der USA. Gerüchte machen die Runde, dass die rebellierenden Streitkräfte am 4. Juli, dem Nationalfeiertag, einen Umsturz planen. Für die Journalisten ist es die Chance, noch einen O-Ton des Präsidenten zu bekommen und auch die entscheidenden Bilder einzufangen.

Garland bleibt bei der Ursachenbegründung beabsichtigt vage. Die Auslöser für den Bürgerkrieg erfahren wir nicht. Nur dass es kein Kampf zwischen Demokraten und Republikanern ist, kann man ausschließen, denn die westlichen Streitkräfte setzen sich aus den gegensätzlich orientierten Staaten Kalifornien und Texas zusammen. In Interviews begründet der Regisseur die Entscheidung damit, etwas Allgemeingültiges schaffen zu wollen, dass sich nicht nur auf die USA begrenzt. Vielmehr sollen eben die zentralen Journalisten im Fokus stehen.

Vor dieser Ausrichtung sei Garland im Vorfeld in Hollywood gewarnt worden, schließlich seien Journalisten doch nirgends beliebt. Sicherlich bestärkte ihn das nochmals in der Schaffung seines Films, der für Journalisten einsteht und deren Wichtigkeit als vierte Gewalt betont. 

Auf diesem tragischen, teils schwermütigen Roadtrip lernen wir die Charaktere, deren Motive und auch ihr Leiden kennen. Gerade Kirsten Dunsts Figur Lee sehen wir in vielen Momenten die Auswirkungen ihrer Arbeit an. Sie wirkt ausgebrannt, emotionslos, von Alltagssituationen überwältigt und wird von Panikattacken übermannt. Von Anfang an widerstrebt es ihr, die junge Jessie in den Brennpunkt mitzunehmen. Was erst wie eine unfreundliche Marotte wirkt, erklärt sich durch ihre eigene Vergangenheit und das Wiedererkennen ihres (zu) frühen Karrierestarts. 

„Civil War“ nimmt sich dem Thema Krieg an, ohne verherrlichend zu sein. Seine Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft und das gesamte Land sind dauerhaft spürbar, egal ob in der Groß- oder Vorstadt. Selbst bei vermeintlich Unbeteiligten patrouillieren Scharfschützen auf den Dächern.

Szene aus Civil War mit Jessie vor einer Wand sitzend. Vor ihr bewaffnete Soldaten mit zwei Geiseln

Mittendrin im Kugelhagel sind etliche Journalisten. Wie sie uns klar machen, dokumentieren sie, damit andere nachher die Fragen stellen können. Sie müssen neutral bleiben und greifen nicht ein. Zu welchen Gefahrensituationen das führt, zeigt „Civil War“ sehr prägnant. 

Was jedoch etwas zu kurz kommt, ist eine kritische Betrachtung. Eine Selektion durch die Journalisten findet beispielsweise nur aufgrund von technischen Kriterien wie der Belichtung statt. Wirklich realitätsnah ist das jedoch nicht. Journalisten wählen aktiv aus und können nie die gesamte Realität abbilden – sie betreiben Framing. Eine Rahmung, die gerade bei Fotografien sehr einfach darzustellen wäre, hier jedoch nicht zu Tragen kommt. Was jedoch gut gezeigt wird, ist die Ambivalenz zwischen Dokumentation und Sensationslust. 

Erzählerisch geht „Civil War“ nicht wirklich in die Tiefe. Vielmehr lebt der Film von seinen Einblicken in die Charaktere und deren Berufsalltag. Er regt zum Nachdenken und Hinterfragen an und liefert dazu selbst nur wenige Antworten. Das ist sicher kein einfaches Actionkino, sondern realitätsnaher, schmerzhafter Krieg. Getragen von erschreckend lauten Schüssen, genauso erschütternden Schauspielern und Bildern, die sich einbrennen.

Nils Zehnder
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